Startups und Corporates unterscheiden sich maßgeblich in ihren Marketingstrategien. Wie sich diese Unterschiede in einer der führenden Kreativ- und Werbeagenturen Deutschlands bemerkbar machen, verraten uns Paul Brenndoerfer (Strategic Lead) und Simon Knittel (Creative Lead) von JvM START, Jung von Matts Einheit für Startups und Scaleups.
1. JvM START ist eine separate Einheit von Jung von Matt speziell für Startups und Scaleups. Wie unterscheiden sich Startup-Kunden von Corporates?
Wir sind der festen Überzeugung, dass Branding Chefsache ist und dass Marken-, Kommunikations- und Business-Ziele komplett miteinander abgestimmt sein sollten. Das ist bei Corporates leider häufig nicht so der Fall, während man, wenn man für Startups arbeitet, wirklich noch neue Wege gehen und die eigene Arbeit viel Veränderung erzeugen kann. Das ist eine ganz große Motivation für uns bei JvM START.
Bei Corporates sind mutige Ideen oft gewollt, aber es mischen sich dann so viele Entscheidungsinstanzen ein, dass es viele dieser Ideen nicht durch alle Türen schaffen. Startups sind eher bereit, sich für mutige Ideen zu begeistern und diese dann auch durchzuziehen. Das kann daran liegen, dass Startups weniger an Ruf zu verlieren haben — aber vor allem, dass sie viel mehr zu gewinnen haben.
2. Was sind die spannendsten Marketingtrends, die ihr im Moment im Startup-Umfeld beobachtet?
Das Thema Performance-Marketing, auf das Startups immer gesetzt haben, stößt in den letzten Jahren immer stärker an seine Grenzen, was sowohl die Targeting-Möglichkeiten als auch die Preise betrifft. Entsprechend sehen wir das Entstehen alternativer Marketingansätze, weg von Media-Schlachten und eher hin zu “Earned Media” — das heißt, die virale Verbreitung von eigens kreierten Inhalten, die andere Medien oder Social-Media-User aufgreifen. Das kann über Social Media Content passieren, was bei manchen Marken auf TikTok und über Influencer ganz gut funktioniert. Oder durch “Publicity Stunts”, mit denen man Aufmerksamkeit bekommt, ohne Geld in Medien auszugeben. Dafür ist die Lemonaid-Zuckerstatue immer noch ein gutes Beispiel. Auf einmal war die Firma in mehreren Zeitungen zu sehen, das heißt, sie hat sozusagen kostenlos Medien verdient. Im Zweifelsfall gilt im Moment also: creativity beats media.
Gleichzeitig werden durch diese Herausforderungen Angebote wie Media for Equity umso interessanter, denn sie ermöglichen Startups, bei geringeren Kosten das Potenzial wirkungsvoller Creatives voll auszuschöpfen. Kampagnen von euren Portfolio Companies wie z.B. GoSpring, für deren kreative Umsetzung wir zuständig waren, zeigen den Erfolg dieses Ansatzes.
3. Wie können Startups durch ihre Werbung hervorstechen, besonders in Konkurrenz mit Konzernen, denen größere Marketingbudgets zur Verfügung stehen?
Durch den Mut, anders zu sein und auch anders zu kommunizieren, als es der Rest tut, anstatt zur Copycat von Mitbewerbern zu werden. Das kann durch Farbe gelingen — zum Beispiel bei Periodenunterwäsche, wo fast alle in den gleichen Pastellfarben arbeiten — oder auch durch Tonalität, wie bei Zalandos Schrei-Werbung 2010. Jetzt schreit gerade jeder in der Werbung, da würden wir genau zum Gegenteil raten. Es kommt also darauf an, antizyklisch zu arbeiten und immer als Gegenpol zum Mainstream zu agieren, um die Aufmerksamkeit zu bekommen, die man braucht.
Das heißt nicht, mutig um des Muts willen zu sein. Man muss das richtige Feld finden, in dem man Mut beweisen und Lautstärke schaffen kann. Eine Mental-Health-App, die wie Sixt wirbt, wird weder Vertrauen aufbauen noch ihre Marke stärken.
4. Was sind Fallstricke, die ihr bei den Kreativstrategien von Startups schon öfter gesehen habt?
Ein Trend, von dem wir hoffen, dass er bald vorbeigeht, ist der Aufbau überproportional großer Social-Media-Teams, wo keine Mediabudgets ausgegeben werden, sehr viel Content hergestellt wird und am Ende aber nicht mehr Reichweite dabei rauskommt. Bei vielen Startup-Brands kann man das von außen sehr gut sehen, wenn man sich die Frequenz und die Menge an Content anguckt und die Followerzahl, die dem gegenübersteht.
5. Eine gute Kreativagentur kostet viel Geld. Für Startups ist das eine große finanzielle Hürde. Wie kommt JvM START Startups hier entgegen?
Zum einen haben wir alles aus unserem Programm geschmissen, wo wir nicht 100% davon überzeugt sind, dass wir da sehr gut darin sind. Das heißt, wir bieten tatsächlich die Services an, wo wir eine Expertise haben, die sonst sehr wenige haben und dadurch rechtfertigt sich dann auch der Preis. Zudem arbeiten wir so, dass wir eher versuchen, in der Qualität zu übertreffen und nicht in der Quantität — das heißt, wir schleppen nicht noch andere Sachen an, die uns vielleicht Spaß machen, die das Startup in dem Moment aber gar nicht braucht.
Zum anderen bieten wir Startups die Möglichkeit, ihre Zusammenarbeit mit uns über alternative Methoden zu finanzieren, beispielsweise über “Creative for Equity” mit euch. Was wir an diesem Ansatz sehr charmant finden, ist, dass wir indirekt am Erfolg der Startups beteiligt sind. Dadurch haben wir umso mehr selbst den Anspruch, sehr, sehr gute Arbeit zu machen, die das Wachstum der Startups beschleunigt.